International
Naher Osten

Gespräche zwischen Europa und Iran in Genf: Die wichtigsten Punkte

Europäer loten mit Iran diplomatische Lösung aus – die wichtigsten Punkte

20.06.2025, 20:5120.06.2025, 21:16
Mehr «International»

Eine Woche nach Kriegsbeginn haben europäische Aussenminister mit ihrem iranischen Kollegen Abbas Araghtschi in Genf erstmals Chancen für eine diplomatische Lösung ausgelotet.

Parallel zu schweren gegenseitigen Angriffen von Israel und Iran versuchten der deutsche Chefdiplomat Johann Wadephul in der Schweiz zusammen mit Jean-Noël Barrot (Frankreich) und David Lammy (Grossbritannien) zu klären, ob Teheran zum Einlenken bei seinem Atomprogramm und zum Verzicht auf Atomwaffen bereit ist.

epa12187374 (L-R) France's Minister for Europe and Foreign Affairs Jean-Noel Barrot, Britain's Foreign Secretary David Lammy, Germany's Foreign Minister Johann Wadephul and High Represe ...
Jean-Noël Barrot, David Lammy, Johann Wadephul und Kaja Kallas (von links) haben sich mit Abbas Araghtschi unterhalten.Bild: keystone

An den Gesprächen nahm auch die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas teil. Die Europäer kamen zunächst unter sich in der Residenz des deutschen Abrüstungsbotschafters zusammen. Das Treffen mit Araghtschi begann gegen 15.30 Uhr im Hotel InterContinental und endete gegen 19 Uhr.

Irans Aussenminister: Wer Israels Angriff rechtfertigt, ist Komplize

Araghtschi rief die internationale Gemeinschaft im UN-Menschenrechtsrat vor dem Treffen mit den Europäern auf, die Angriffe Israels auf sein Land zu verurteilen. «Jede Rechtfertigung dieses ungerechten und verbrecherischen Krieges käme einer Komplizenschaft gleich», sagte er. Der Iraner warf Israel wegen dessen Vorgehens im Gazastreifen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Iranian Foreign Minister Abbas Araghchi, talks to the media in front of the Intercontinental Hotel, after the meeting for the Iran-EU nuclear with the various foreign ministers of Germany, France, Gre ...
Irans Aussenminister Abbas Araghtschi.Bild: keystone

Wadephul: Iran nun am Zug

Wadephul mahnte vor dem Treffen, Iran sei nun am Zug. Araghtschi forderte hingegen ein Ende der israelischen Angriffe als Voraussetzung für Verhandlungen. US-Präsident Donald Trump hatte seine Sprecherin Karoline Leavitt am Vorabend erklären lassen, er wolle vor dem Hintergrund der anstehenden Verhandlungen innerhalb der nächsten zwei Wochen entscheiden, ob die USA als wichtigster Verbündeter Israels in den Krieg eingreifen werden.

Angriffe gehen weiter

Israel und Iran attackierten sich ungeachtet der Gespräche in Genf gegenseitig weiter. In der israelischen Stadt Haifa wurden laut dem israelischen Rettungsdienst Magen David Adom bei einem Angriff mindestens 23 Menschen verletzt, drei von ihnen schwer. Israels Aussenminister Gideon Saar teilte mit, in Haifa sei auch eine Moschee getroffen worden. Dabei seien Geistliche, die sich in dem Gotteshaus aufgehalten hätten, verletzt worden.

Irans Revolutionsgarden, die Elitestreitmacht des Landes, sprachen von israelischen Angriffen auf militärische Ziele, Einrichtungen der Rüstungsindustrie, Kontrollzentren sowie die Luftwaffenstützpunkte Nevatim und Hatzerim. Ob diese Ziele tatsächlich getroffen wurden, lässt sich derzeit unabhängig nicht bestätigen. Iranische Medien meldeten auch einen israelischen Angriff auf die Hafenstadt Buschehr, in der sich das einzige AKW des Landes befindet.

Forderungskatalog an Teheran

Der deutsche Aussenminister hatte vor dem Abflug nach Genf erneut Gesprächsbereitschaft gegenüber Iran signalisiert, aber zugleich einen Forderungskatalog ausbuchstabiert. «Das setzt die ernsthafte Bereitschaft des Iran voraus, auf jede Anreicherung von nuklearem Material zu verzichten, was in Richtung einer atomaren Bewaffnung gehen könnte.» Auch über das Raketenprogramm Teherans müsse verhandelt werden. «Wenn diese ernsthafte Bereitschaft besteht, dann wird unsererseits auch die Folge sein, dass wir bereit sind, weitere Gespräche zu führen.»

Macron: Rückkehr zu Verhandlungen hat Priorität

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nannte das iranische Atomprogramm eine Bedrohung. Es gebe aber sehr gut geschützte Werke im Iran, und niemand könne derzeit genau sagen, wo sich das auf 60 Prozent angereicherte Uran befinde. Die Rückkehr zu Verhandlungen müsse Priorität haben. Der britische Aussenminister Lammy, der kurz vor dem Genfer Treffen in Washington mit US-Aussenminister Marco Rubio zusammentraf, sieht das von Trump genannte Zeitfenster als Chance für eine diplomatische Lösung und warnte vor einer weiteren Eskalation des Konflikts.

epa12188024 France's President Emmanuel Macron delivers a speech for 'France Music Week', a day before the 'Fete de la Musique', at the Elysee presidential palace in Paris, Fr ...
Emmanuel Macron.Bild: keystone

Katz will umfassende Evakuierung Teherans

Israels Verteidigungsminister Israel Katz wies die Armee an, ihre Angriffe auszuweiten und dabei verstärkt Ziele der Regierung in Teheran ins Visier zu nehmen. Auf diese Weise solle das «Regime» destabilisiert werden, sagte Katz. Staatliche Symbole sollten angegriffen und eine umfassende Evakuierung der Bevölkerung Teherans herbeigeführt werden.

epa11706786 Israeli outgoing Foreign Minister Israel Katz waits prior to his meeting with his French counterpart at the foreign minister's office in Jerusalem, 07 November 2024. The Israeli prime ...
Israel Katz.Bild: keystone

UNHCR bereitet Krisenpläne für Flüchtlinge aus Iran vor

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) bereitet sich auf grössere Flüchtlingsgruppen aus dem Iran vor. «Wir erstellen Krisenpläne», sagte UNHCR-Chef Filippo Grandi der Deutschen Presse-Agentur. «Wir haben sie noch nicht veröffentlicht, weil wir nicht genügend Informationen haben und weil wir die Entwicklung abwarten. Aber wir planen auf jeden Fall.» Es gebe bereits unbestätigte Berichte über ankommende Flüchtlinge aus dem Iran in Armenien, Aserbaidschan und Turkmenistan, sagte Grandi.

Seit Kriegsbeginn sind nach offiziellen Angaben in Israel 24 Menschen durch die iranischen Angriffe getötet sowie mehr als 800 verletzt worden. Im Iran kamen laut des in den USA ansässigen Menschenrechtsnetzwerks HRANA bislang mehr als 650 Menschen ums Leben; mehr als 2'000 seien verletzt worden. Die Aktivisten stützen sich auf Informanten und öffentlich zugängliche Quellen. Die Regierung selbst veröffentlicht keine Zahlen zu Verletzten und Todesopfern.

Spielt Teheran auf Zeit?

In Teheran kam es nach dem Freitagsgebet zu einer Kundgebung von Regierungsanhängern. Der Sicherheitsexperte Riad Kahwaji von dem in Dubai ansässigen Institute for Near East and Gulf Military Analysis (Inegma) ging im dpa-Gespräch davon aus, dass der Iran derzeit auf Zeit spielt. Teheran rationiere seine Raketen und versuche, die Moral im eigenen Land mit Propaganda aufrechtzuerhalten. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Israels Luftabwehr – der Iron Dome
1 / 9
Israels Luftabwehr – der Iron Dome

In den letzten Wochen kam der israelische Iron Dome aufgrund des Konflikts mit dem Iran häufig zum Einsatz.

quelle: keystone / atef safadi
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Hurrikan «Erick» sorgt in mexikanischem Bundesstaat Oaxaca für Überschwemmungen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
78 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
manuel0263
20.06.2025 22:11registriert Februar 2017
Das Problem ist, dass die Mullahs im Iran genauso vertrauenswürdig sind wie Putin, nämlich gar nicht. Ohne dieses Regime wären die Iraner deutlich besser dran; seit 46 Jahren nur Terror, gerade gegenüber dem eigenen Volk.
6919
Melden
Zum Kommentar
avatar
dick & durstig
20.06.2025 22:37registriert Mai 2021
Ich bezweifle leider stark, dass mit dem Iranischen Regime und deren Verbündeten auf lange Sicht eine diplomatische Lösung gefunden werden kann. Denen geht es nicht in erster Linie um Selbstverteidigung, sondern um die Zerstörung des "Feindes" und um die Ausweitung ihrer Ideologie. Die Geschichte hat uns gelernt, dass mit Kräften, die solche faschistoiden Tendenzen aufweisen, auf politischem Wege nichts zu erreichen ist.
4514
Melden
Zum Kommentar
avatar
CrispMüesli
20.06.2025 22:45registriert Dezember 2016
Ich glaube nicht, dass man mit den Mullahs reden kann… die ziehen es wahrscheinlich vor lieber gemeinsam unterzugehen, statt nachzugeben.

Aber Trump und Israel traue ich nicht zu, dass es am Ende nur um das iranische Regime geht. Dafür haben wir einfach zu viel des Gegenteils gesehen.

Ich meine schaut euch die Kriege der letzten Jahrzehnte an und Gaza… wann ist es jemals bei dem anfänglichen Ziel geblieben?

Schon jetzt redet Katz von vollständiger Evakuation des Landes… klingt wie in Gaza.

Trotzdem wünsche ich dem Iran eine Befreiung von diesen Mullahs. Und beiden Völkern Schutz vor Krieg
3515
Melden
Zum Kommentar
78
    Pakistans Regierung schlägt Trump für Friedensnobelpreis vor

    Pakistans Regierung will den US-Präsidenten Donald Trump für den Friedensnobelpreis nominieren. «In Anerkennung seines entschlossenen diplomatischen Eingreifens und seiner entscheidenden Führungsrolle während der jüngsten indisch-pakistanischen Krise», habe sie entschieden, ihn formell vorzuschlagen, teilte die Regierung in Islamabad auf der Plattform X mit.

    Zur Story